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Rohstoff- und Prozessparameter bei Sauerteigführungen

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Grundlage einer jeden Sauerteigführung ist die optimale Abstimmung der im weiteren Text beschriebenen Rohstoff- und Prozessparameter, hinsichtlich der gewünschten Sauerteigqualität. Keiner der aufgeführten Parameter wirkt für sich alleine, es gibt vielfältige Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Faktoren, die berücksichtigt werden müssen.

Art und Menge des Anstellgutes

Ein einwandfreies Anstellgut ist die Voraussetzung für das Gelingen der Sauerteigführung. Das Anstellgut enthält die gewünschte Mikroflora, die in den einzelnen Sauerteigstufen aktiviert und vermehrt wird. Die Zusammensetzung der Bakterienkultur des Anstellgutes beeinflusst die Art und Menge der gebildeten Fermentationsprodukte im Sauerteig.

Die übliche Praxis ist, das Anstellgut vom reifen Sauerteig abzunehmen und regelmäßig durch einen Reinzuchtsauer zu erneuern. Unter einem Reinzuchtsauer versteht man ein Anstellgut mit einer genau definierten Zusammensetzung von Milchsäurebakterien und Sauerteighefen. Die früher häufiger zu beobachtende Verwendung eines Spontansauerteiges als Anstellgut wird aus Gründen der schlechten Reproduzierbarkeit kaum noch praktiziert.

Um Fremdgärungen zu vermeiden, ist es wichtig, eine ausreichende Menge Milchsäurebakterien über das Anstellgut einzubringen. Eine zu große Menge Anstellgut senkt den Anfangs-pH-Wert zu stark, sodass gewünschte enzymatische Abbauvorgänge der Mehlinhaltsstoffe des Sauerteiges vermindert werden. Die Menge des Anstellgutes muss also auf die Temperaturen, Stehzeiten und Teigfestigkeiten der einzelnen Stufen abgestimmt sein. Kurze Sauerteigführungen benötigen eine höhere Menge Anstellgut als lange Sauerteigführungen.

Anfangs- und Reifetemperatur des Sauerteiges

Die Temperatur ist eine der wichtigsten Einflussgrößen bei der Sauerteigfermentation. Sie richtet sich vor allem nach den eingesetzten Mikroorganismen. Temperaturen von 30 °C und höher begünstigen vor allem die homofermentativen Milchsäurebakterien, welche nur Milchsäure bilden. Die Verarbeitung dieser sehr warm geführten Sauerteige führt zu einem milden bis faden Brotaroma.

Bei kühl geführten Sauerteigen, das bedeutet Temperaturen von 22 – 25 °C, vermehren sich hauptsächlich heterofermentative Milchsäurebakterien, welche neben der Milchsäure auch Essigsäure bilden. Auf Grund der höheren Essigsäuregehalte führen diese Sauerteige zu einem kräftigen Brotgeschmack. Zu beachten ist auch der Einfluss der Temperatur auf die Versäuerungsgeschwindigkeit.

Zu niedrige Temperaturen verlangsamen die Stoffwechselaktivität der Mikroorganismen, sodass weniger Säure gebildet wird und die Sauerteige nach der normalen Reifezeit noch zu jung sind. Umgekehrt kann durch Temperaturerhöhung die Säuerungsgeschwindigkeit erhöht werden.

Reifezeit

Je stärker sich die Mikroorganismen in einer Sauerstufe vermehren sollen bzw. je mehr Säure gebildet werden soll, umso längere Reifezeiten sind notwendig. Um Fehlgärungen oder zu junge Sauerteige zu vermeiden, ist das Einhalten der vorgegebenen Reifezeiten der jeweiligen Stufen essenziell.

Je länger die Reifezeit der einzelnen Sauerteigstufen gewählt wird, umso intensiver verquellen die Mehlinhaltsstoffe und umso besser ist die Frischhaltung der Gebäcke. Die Reifezeiten wiederum beeinflussen auch die Anstellgutmenge, die Temperatur und die Teigfestigkeit. Durch sensorische Beurteilung der einzelnen Stufen, aber auch durch die Bestimmung von Säuregrad und pH-Wert, kann die optimale Reifezeit ermittelt werden.

Mehltype

Dunkle, hoch ausgemahlene Roggenmehle und -schrote sind reich an Enzymen, Vitaminen, Mineralstoffen und vergärbaren Kohlenhydraten sowie Eiweißen. Sie liefern gute Voraussetzungen für Sauerteigfermentationen und versäuern besser als hellere Roggenmehle mit niedrigeren Mineralstoffgehalten und schwächerer Enzymaktivität. Liegt der Mineralstoffgehalt zu hoch, kann ein herb-saurer bis bitterer Nachgeschmack die Folge sein.

Neben der Enzymaktivität und der Verfügbarkeit von vergärbaren Mehlinhaltsstoffen spielt das Pufferungsvermögen der zu versäuernden Mehle eine große Rolle. Je höher der Mineralstoffgehalt der Mehle, umso besser wird der pH-Wert abgepuffert. Das Pufferungsvermögen eines Mehles erkennt man daran, wie schnell der pH-Wert des Sauerteiges während der Fermentation abfällt. Ist es hoch, dann fällt der pH-Wert relativ langsam ab, sodass hohe Säuregrade erzielt werden. Bei Mehlen mit schwächer puffernden Eigenschaften sinkt der pH-Wert relativ schnell ab, welches oft mit niedrigen Säuregraden einhergeht.

Mit Mehlen höherer Typenzahlen (z. B. Roggenmehl Type 1370) können bei gleichen Führungsparametern daher höhere Säuregrade erzielt werden, als mit Mehlen geringer Typenzahlen (z. B. Roggenmehl Type 815).

Teigausbeute

Eine höhere Teigausbeute fördert die mehleigene Enzymatik stärker als eine niedrigere. Gleichzeitig erhöhen weiche Sauerteige die Aktivität der Mikroorganismen, sodass die Säuerung intensiviert und die Versäuerungsgeschwindigkeit erhöht wird. In festen Sauerteigen ist die Aktivität der Sauerteig-Mikroflora verlangsamt, was zu einer größeren Toleranz bezüglich des Sauerteig-Reifepunktes und zu einer intensiveren Aromaentwicklung (Essigsäurebildung) führt. Wird die Versäuerung unter relativ warmen und weichen Bedingungen durchgeführt (TA 190 – 220), wird hauptsächlich Milchsäure gebildet, welche zu einem relativ milden Brotgeschmack führt. Ein kräftig aromatischer Brotgeschmack lässt sich durch kühle und feste Sauerteigführungen erzielen (TA 160 – 170).